June 2010 / Berlin

Workshop der AG Medical Anthropology (in der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde e.V.):
„Aktuelle Forschungen der AG Medical Anthropology“
18. – 20 Juni 2010, Institut für Ethnologie, Freie Universität Berlin (Seminarraum, EG)

 

Freitag, 18. Juni
18.00 – 19.30 Begrüßung und Kennenlernen, danach gemeinsames Abendessen

Samstag, 19. Juni
09.00 – 11.00  Moderation: Hansjörg Dilger
Teil 1: Begrüßung und Präsentationen
Begrüßung und kurze Einführung (Hansjörg Dilger / Bernhard Hadolt)
Gabi Alex (Göttingen): Medizinische Diversität im postkolonialen Indien: Dominanz, Dynamik und Perzeption von Gesundheitsangeboten in Tamil Nadu
Thamar Klein (Bonn): Konfigurationen transsexueller Bürger_innen in Südafrika
Lena Kroeker (Bayreuth): Junge Mütter mit HIV in Lesotho – praktikable Lösungen zwischen familiären und biomedizinischen Anforderungen zur „sicheren Babyernährung“
Susanne Schmitt (München): „Der Duftcomputer“ – Ethnographische Erkundungen olfaktorischer Praktiken im Deutschen Hygiene Museum Dresden.

11.00 – 11.30 Kaffeepause

11.30 – 13.00 Moderation: N.N.
Teil 2: Präsentationen
Constanze Weigl (Heidelberg): Reproduktives Gesundheitsverhalten muslimischer Frauen eines Armenviertels in Neu Delhi im Kontext von reproduktiven Technologien und staatlichen Familienplanungsprogrammen
Rebecca Zimmering (Freiburg): Schulungen in Transkultureller Kompetenz für Beschäftigte im Gesundheitswesen in Deutschland und der Schweiz – Eine ethnologische Perspektive
Susann Huschke (Berlin): Kranksein in der Illegalität

13.00 – 14.30 Mittagspause

14.30 – 16.00 Moderation: N.N.
Teil 3: Präsentationen
Britta Rutert (Berlin): Bioprospektion in Südafrika: neue Hoffnungen, alte „Probleme“
Sarah Blakeslee/Christine Holmberg (Berlin): A study to evaluate different decision-making approaches used by women known to be at increased risk for breast cancer
Dominik Mattes (Berlin): Of docile bodies and problematic persons

16.00 – 16.30 Kaffeepause

16.30 – 18.30 Moderation: Bernhard Hadolt
Teil 4: Abschlussdiskussion „Medizinethnologie wohin?“
Input: Kristine Krause zum Forschungsschwerpunkt „Medical Diversity“, MPI Göttingen
danach Abendessen

Sonntag, 20. Juni
10.00 – 13.00 Gemeinsames Frühstück und Mitgliederversammlung (inkl. Neuwahlen)

 

Abstracts:

Gabriele Alex:

Medizinische Diversität im postkolonialen Indien: Dominanz, Dynamik und Perzeption von Gesundheitsangeboten in Tamil Nadu
Diese Präsentation basiert auf Forschungen die zwischen 2006-2009 im ländlichen Tamil Nadu, Südindien durchgeführt wurde. Ausgehend von einer patientenzentrierten Perspektive wird die Gesundheitslandschaft dargestellt und untersucht wie Patienten im Krankheitsfalle unterschiedliche Gesundheitsangebote (öffentliche Gesundheitsangebote, privater Sektor, folk-Sektor) wahrnehmen und Anspruch nehmen. Es wird der Frage nachgegangen, welche Unterscheidungen Patienten bei der Arztwahl treffen und von welchen Faktoren diese Wahl abhängen könnte. Ferner wird gefragt wie öffentliche Gesundheit und „english medicine“ in lokalen Diskursen politisiert und „ethniziert“ werden, und wie Konzepte aus dem tamilischen Nationalismus im lokalen Gesundheitsdiskurs verarbeitet werden.

 

Sarah Blakeslee/Christine Holmberg:

A study to evaluate different decision-making approaches used by women known to be at increased risk for breast cancer
Increasing, medications are being used and developed to hinder the risk of developing disease. Risk models look at specific risk factors that may make a person more or less at risk for developing the disease. At risk individuals must decide whether they want to use medical interventions to address this risk without certainty of developing the illness. In the United States, at risk women for breast cancer are currently offered one of two currently Federal Drug Administration approved medications, tomoxifen or raloxifene to reduce their risk. How do women make this decision and what factors are important in this decision making?

 

Susann Huschke:

Kranksein in der Illegalität
In meiner Präsentation möchte ich die Ergebnisse meiner Promotionsforschung zu „Kranksein in der Illegalität“ vorstellen. Dabei geht es darum, die Sichtweisen und Erfahrungen undokumentierter Latinos und ihren Umgang mit Krankheit als Teilaspekt ihres Lebensalltags in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität darzustellen. Meine Analyse wird eingebettet in den politischen Kontext: undokumentierte MigrantInnen sind in Deutschland aus dem staatlichen Gesundheitsssystem ausgeschlossen, nicht-staatlichen Hilfsorganisationen übernehmen in wachsendem Umfang die medizinische Versorgung und etablieren ein (unzureichendes) Parallelsystem.

 

Thamar Klein:

Konfigurationen transsexueller Bürger_innen in Südafrika
Mein Vortrag hinterfragt die Techniken der Konfiguration des Geschlechts von Transgendern und transsexuellen Menschen in Südafrika. Unter Berücksichtigung der Verschiedenheit und Diversität von Bürger_innen in Südafrika, werde ich folgenden Fragen nachgehen:
Wie werden trans* Menschen als geschlechtliche Bürger_innen konfiguriert und definiert? Durch wen und durch welche Technologien? Wie experimentieren trans* Bürger_innen mit Technologien und welche Verwendungszecke finden sie für Technologien, die ursprünglich anderen Zwecken dienten?
Anstatt trans* Bürger_innen ausschließlich als passive Subjekte staatlicher medizinischer und rechtlicher Interventionen zu begreifen, werde ich auch einen Blick auf sie als aktiv an der (Neu)Gestaltung ihrer Identitäten arbeitende Bürger_innen werfen. Der Vortrag untersucht ihre Agency auf lokaler und globaler Ebene in den Bereichen Supranationalität, „citizen-science“ und Medizintourismus.

 

Lena Kroeker:

Junge Mütter mit HIV in Lesotho – praktikable Lösungen zwischen familiären und biomedizinischen Anforderungen zur „sicheren Babyernährung“
In Lesotho ist ein HIV-Test ein integraler Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung schwangerer Frauen. Etwa 27% der Frauen werden dort positiv getestet und an eine Beratungsstelle referiert, die Informationen und Medikamente zur Prävention der HIV-Übertragung auf das Kind (PMTCT), anbietet. Die Hinweise zur „sicheren Babyernährung“ haben sich seit der Einführung von PMTCT-Massnahmen in Lesotho, Anfang 2006, mehrfach geändert. Nicht nur, dass die schnell wandelnden biomedizinischen Hinweise den langsam wandelnden kulturellen Normen widersprechen, zunehmend verhindert auch die Mangelernährung der Mutter die „sichere“ Ernährung des Kindes.
Meine Studie folgt der Fragestellung, welche praktikablen Lösungen schwangere und stillende Frauen mit HIV unter dem Druck der familiären und biomedizinischen Erwartungen entwickeln.

 

Dominik Mattes:

Of docile bodies and problematic persons
Few years into the roll-out of antiretroviral treatment in Tanzania thousands of patients have been enrolled in the program and are now living with antiretroviral drugs (ARVs). The production of adherent patients constitutes the foremost priority of medical professionals who are transferring the biomedical truth about the treatment to the prospective patients. The established procedures of getting access to ARVs at Care and Treatment Centers (CTCs) in urban Tanga, as well as the mechanisms that are put in place in order to control the patients’ behavior throughout the life-long treatment will be analyzed along the lines of recent anthropological debates on citizenship and biopower.

 

Britta Rutert:

Bioprospektion in Südafrika: neue Hoffnungen, alte „Probleme“
Dieser Vortrag basiert auf einer Feldforschung, die von Januar 2009 bis Februar 2010 in Südafrika durchgeführt wurde. Medizinischen Pflanzen wurde ausgehend von einem spezifischen Forschungslabor hin zu diversen, relevanten Akteuren (z.B. traditionellen Heilern und Pflanzensammlern) gefolgt. Im Feld der Bioprospektion ist die Diskrepanz zwischen der Suche nach neuen chemischen Verbindungen für zukünftige medizinische Produkte und dem Schutz von Wissen durch Geheimhaltung besonders auffällig. Gleichzeitig entstehen neue Hoffnungen auf „big bugs“ durch die vom Staat geförderte Möglichkeit, Wissen über medizinische Pflanzen (-Kombinationen) für wissenschaftliche Zwecke offen zu legen. In diesem ambivalenten Feld spielt die politische Vergangenheit Südafrikas sowie die aktuelle ökonomische und politische Situation eine wesentliche Rolle.

 

Susanne Schmitt:

„Der Duftcomputer“ – Ethnographische Erkundungen olfaktorischer Praktiken im Deutschen Hygiene Museum Dresden.
In diesem Beitrag wird die Repräsentation von Gerüchen im Deutschen Hygiene- Museum Dresden thematisiert, das sich den Themen Mensch, Körper und Gesundheit widmet.
Der ethnographische Focus liegt dabei auf die Neugestaltung des Raumes „Essen und Trinken“, der während meines Feldforschungsaufenthaltes mit einer interaktiven Installation zum Thema „Aroma“ ausgestattet werden sollte.
Bei der Analyse wird, wie in letzter Zeit verstärkt für die Medical Anthropology gefordert (Nichter), die Ethnologie der Sinne für die Untersuchung von Prozessen von Körperwissen und Körpererleben nutzbar gemacht und die leiblichen Erfahrungen von Museumsbesuchern und Mitarbeitern mit dem „Duftcomputer“ innerhalb des spezifischen sensorischen Regimes der Sichtbarkeit in einem medizinhistorischen Museum diskutiert.

 

Constanze Weigl:

Reproduktives Gesundheitsverhalten muslimischer Frauen eines Armenviertels in Neu Delhi im Kontext von reproduktiven Technologien und staatlichen Familienplanungsprogrammen
In dem Vortrag wird das reproduktive Gesundheitsverhalten indischer Musliminnen in Bezug auf Familienplanung, Empfängnisverhütung und Abtreibung beschrieben und dargestellt, wie dieses sich seit Einführung von reproduktiven Technologien in den 1970er Jahren verändert hat. Es wird vor allem der Frage nachgegangen, inwieweit reproduktive Handlungen und Entscheidungsprozesse der Frauen durch ihre gesundheitliche Situation sowie durch den Einfluss staatlicher Familienplanungsprogramme bestimmt werden. Zudem sollen Formen und Praktiken des reproduktiven Gesundheitsverhaltens, wie beispielsweise die Präferenz und der Gebrauch von temporären, permanenten und traditionellen Mitteln der Empfängnisverhütung, beschrieben werden. Der Vortrag basiert auf den Ergebnissen zweier ethnologischer Feldforschungsaufenthalte, welche von Januar – Oktober 2007 und Februar – März 2008 in einem muslimischen Viertel in Neu Delhi durchgeführt wurden.

 

Rebecca Zimmering:

Schulungen in Transkultureller Kompetenz für Beschäftigte im Gesundheitswesen in Deutschland und der Schweiz – Eine ethnologische Perspektive (Arbeitstitel)
Der Vortrag basiert auf meiner Magistraarbeit, die sich mit Schulungen zum Erwerb inter- bzw. transkultureller Kompetenz im Bereich des Gesundheitswesens beschäftigt. Besondere Beachtung finden die Konzeption, sowie die inhaltliche und didaktische Umsetzung der Schulungsthemen. Ziel der Untersuchung, die auf ExpertInneninterviews und teilnehmender Beobachtung basiert, ist ein Vergleich des den Schulungen zugrundeliegenden Kulturbegriffs. Hinterfragt wird auch, wie die Kursleiterinnen theoretische Abstraktionen von Kultur für Beschäftigte im Gesundheitswesen (Pflegekräfte) anwendbar machen und inwieweit sie sich dabei auf ethnologisches bzw. medizinethnologisches Wissen stützen.